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Was ist Nachhaltige Ernährung?

"Nachhaltige Ernährung" setzt das gesellschaftliche Leitbild einer "Nachhaltigen Entwicklung" für den Ernährungsbereich um.
Die Betrachtungen zum Fach Nachhaltige Ernährung gehen auf das Wissenschaftsgebiet der Ernährungsökologie zurück.
Daraus wurden sieben Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung entwickelt.
Eine praktische Umsetzung der Betrachtungen zu Nachhaltigkeit im Ernährungsbereich bzw. zur Umsetzung der Ernährungsökologie ist die Vollwert-Ernährung.

  • Koerber Kv
    Nachhaltige Ernährung und ihre fünf Dimensionen: Umwelt, Wirtschaft, Gesellschaft, Gesundheit und Kultur. 16-45. In: Schockemöhle J, Stein M (Hg.): Nachhaltige Ernährung lernen in verschiedenen Ernährungssituationen. Handlungsmöglichkeiten in pädagogischen und sozialpädagogischen Einrichtungen. 272 S., Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 2015
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Definition

Definition der Ernährungsökologie
(v. Koerber, Männle, Leitzmann 2004)

Die Ernährungsökologie ist ein interdisziplinäres Wissenschaftsgebiet, das die komplexen Beziehungen innerhalb des gesamten Ernährungssystems untersucht und bewertet. Dieses beinhaltet alle Teilbereiche von der landwirtschaftlichen Erzeugung der Lebensmittel über Verarbeitung, Verpackung, Transport und Handel bis zu Verzehr und Abfallentsorgung. Über die in der Ernährungswissenschaft übliche Dimension Individuum bzw. Gesundheit hinaus werden die Dimensionen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft gleichwertig einbezogen.

Ziel der Ernährungsökologie ist, wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse über die vernetzten gesundheitlichen, ökologischen, ökonomischen und sozialen Bedingungen und Auswirkungen des Umgangs mit Lebensmitteln zu gewinnen. Dieses ermöglicht die Entwicklung von realisierbaren, nachhaltigen bzw. zukunftsorientierten Ernährungskonzepten und bietet die Basis für ein bewusstes Essverhalten.


Die Ernährungsökologie ist ein relativ neues Fachgebiet innerhalb der Ökotrophologie bzw. der Ernährungswissenschaft. Es wurde 1986 aufgrund der Initiative eines studentischen Arbeitskreises an der Universität Gießen gegründet. Dazu kam die entscheidende Unterstützung von Prof. Dr. Claus Leitzmann, der den Begriff "Ernährungsökologie" prägte. In der Folge wurde in seiner Arbeitsgruppe von Seiten der Universität eine Stelle für einen Wissenschaftlichen Mitarbeiter eingerichtet, die in den ersten acht Jahren Dr. oec. troph. Karl von Koerber innehatte (s. Tätigkeitsbericht). Seit 1997 ist Prof. Dr. oec. troph. Ingrid Hoffmann für dieses Fachgebiet verantwortlich. Ab 2004 hält sie die Stiftungsprofessur Ernährungsökologie an der Universität Gießen inne, die von der Eden-Stiftung sowie der Werner-und-Elisabeth-Kollath-Stiftung in Bad Soden finanziert wird.


Dimensionen


Grundsätze

Die folgenden Grundsätze für einen zukunftsfähigen Ernährungsstil sind hier nach ökologischer Priorität geordnet, d. h. absteigend nach Einsparpotential an Treibhausgasemissionen. Beruhigend ist, dass die verschiedenen Betrachtungsebenen nicht etwa zu sich gegenseitig ausschließenden Folgerungen und Empfehlungen führen, sondern zu einer in sich schlüssigen Konzeption.

Grundsätze für eine nachhaltige Ernährung
(nach v. Koerber et. al. 2012)

  1. Bevorzugung pflanzlicher Lebensmittel (überwiegend lakto-vegetabile Kost)
  2. Ökologisch erzeugte Lebensmittel
  3. Regionale und saisonale Erzeugnisse
  4. Bevorzugung gering verarbeiteter Lebensmittel
  5. Fair gehandelte Lebensmittel
  6. Ressourcenschonendes Haushalten
  7. Genussvolle und bekömmliche Speisen

Vollwert-Ernährung

Die "Gießener Konzeption der Vollwert-Ernährung" wurde in ihren Grundzügen Anfang der 1980er Jahre am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Gießen entwickelt.
Die Konzeption wurde erstmalig 1981 im Grundlagenbuch "Vollwert-Ernährung" von v. Koerber, Männle und Leitzmann veröffentlicht und seitdem in zahlreichen Publikationen auch anderer Institutionen verbreitet und weiterentwickelt. Kürzlich erschien die 11. vollständig neu bearbeitete und erweiterte Auflage des Lehrbuchs

Definition der Vollwert-Ernährung
(Leitzmann, v. Koerber, Männle 2004)

Vollwert-Ernährung ist eine überwiegend pflanzliche (lakto-vegetabile) Ernährungsweise, bei der gering verarbeitete Lebensmittel bevorzugt werden. Gesundheitlich wertvolle, frische Lebensmittel werden zu genussvollen und bekömmlichen Speisen zubereitet. Die hauptsächlich verwendeten Lebensmittel sind Gemüse und Obst, Vollkornprodukte, Kartoffeln, Hülsenfrüchte sowie Milch und Milchprodukte, daneben können auch geringe Mengen an Fleisch, Fisch und Eiern enthalten sein. Ein reichlicher Verzehr von unerhitzter Frischkost wird empfohlen, etwa die Hälfte der Nahrungsmenge. Zusätzlich zur Gesundheitsverträglichkeit der Ernährung werden im Sinne der Nachhaltigkeit auch die Umwelt-, Wirtschafts- und Sozialverträglichkeit des Ernährungssystems berücksichtigt. Das bedeutet unter anderem, dass Erzeugnisse aus ökologischer Landwirtschaft sowie regionale und saisonale Produkte verwendet werden. Weiterhin wird auf umweltverträglich verpackte Erzeugnisse geachtet. Außerdem werden Lebensmittel aus Fairem Handel mit sog. Entwicklungsländern verwendet. Mit Vollwert-Ernährung sollen hohe Lebensqualität – besonders Gesundheit –, Schonung der Umwelt, faire Wirtschaftsbeziehungen und soziale Gerechtigkeit weltweit gefördert werden.


Empfehlung zur Aufteilung von unerhitzter Frischkost und erhitzter Kost
(Gewichtsanteile an der Gesamtnahrung)
(v. Koerber, Männle, Leitzmann 2004)


Empfehlungen für die Auswahl von Lebensmitteln
(aus Koerber Kv, Männle T, Leitzmann C 2004)

Aus den oben besprochenen sieben Grundsätzen für einen nachhaltigen Ernährungsstil ergeben sich folgende konkrete Empfehlungen für den täglichen Lebensmitteleinkauf :

  • Gemüse und Obst reichlich zu verzehren, einen großen Teil davon als unerhitzte Frischkost
  • Getreide und Getreideprodukte aus Vollkorn zu bevorzugen und Nicht-Vollkornprodukte, d.h. Produkte aus Auszugsmehlen oder nur teilweise ausgemahlenen Mehlen, nur selten zu verwenden
  • Kartoffeln und Hülsenfrüchte in den Speiseplan einzubeziehen
  • die Gesamtfettaufnahme einzuschränken und qualitativ hochwertige Fette und Öle zu verwenden, z. B. native, kalt gepresste Speiseöle, Butter oder ungehärtete Pflanzenmargarinen mit hohem Anteil an nativem Kaltpressöl
  • Vorzugsmilch, pasteurisierte Vollmilch oder Milchprodukte ohne Zutaten zu bevorzugen
  • Fleisch, Fisch und Eier, wenn überhaupt gewünscht, nur gelegentlich zu verwenden
  • ungechlortes Trinkwasser (Inhaltsstoffanalysen des Wassers beachten), kontrolliertes Quellwasser, natürliches Mineralwasser oder ungesüßte Kräuter- und Früchtetees zum Durstlöschen zu bevorzugen
  • Gewürze und Kräuter reichlich zur Geschmacksverfeinerung zu verwenden, Salz dagegen sparsam einzusetzen (als jodiertes Salz)
  • zum Süßen frisches, süßes Obst, nicht wärmegeschädigten Honig oder ungeschwefeltes, eingeweichtes Trockenobst (jeweils mäßig und nicht konzentriert) zu bevorzugen, dagegen isolierte Zucker und Süßstoffe sowie damit hergestellte Produkte zu meiden
  • Lebensmittel aus ökologischer Landwirtschaft sowie aus regionaler Herkunft und entsprechend der Jahreszeit zu verwenden, ggf. aus Fairem Handel.

Literatur zu Nachhaltiger Ernährung, Ernährungsökologie und Vollwert-Ernährung